Projekttag 9 – Autism Awareness Week, Tacloban

Gepostet am Jan 15, 2018

City of tough people / Die Stadt der Zähen

Der weiße 14-Sitzer im Sprinter-Style düst unter dem bröckeligen Torbogen hindurch: „W LC ME TO T CLOB N“. Wir haben die letzte Station für den Circus de Bais erreicht: Tacloban City auf Leyte. Hier in der Hauptstadt der östlichsten Region der Philippinen leben die Warays, eine Volksgruppe, die für ihre Zähigkeit bekannt ist.

Nicht nur das bröckelige Schild lässt erahnen, welche Katastrophe die Stadt und ihre Bewohner erlebt haben. Während unser Van (wie der schnelle Überlandtransport auf den Philippinen schlicht genannt wird) sich auf der langen Hauptstraße durch die vielen Menschen, Straßenhunde, Motorrad- und Fahrradtaxis schlängelt, zeichnet sich das Schicksal der Stadt deutlich gegen den grauen Himmel ab. Immer wieder ragt zwischen den Wellblechhütten die skelettartige Ruine eines stattlichen Hauses in die Höhe, die Stäbe der zerstörten Stahlträger zeigen bedrohlich in alle Richtungen.

Es ist nun vier Jahre her, dass die Stadt vom stärksten Wirbelsturm der Menschheitsgeschichte getroffen wurde. Am 8. November 2013 traf Taifun Haiyan mit einer Wucht von 300 Stundenkilometer auf die Stadt an der San-Juanico-Bucht. Für Stunden wütete der Wind, ließ PKWs wie Spielzeugautos durch die Luft fliegen und deckte unzählige Dächer ab. Doch als die Überlebenden sich schon in Sicherheit wähnten, folgte die zweite Katastrophe: Der Sturm riss eine meterhohe Flutwelle vom Meer mit sich, die über die zerstörte Stadt niederrollte und große Tanker bis weit ins Landesinnere trug. Geschätzt 15.000 Menschen verloren an diesem Tag ihr Leben.

Heute erinnern Denkmäler, Massengräber und eben unzählige Ruinen an die Geschehnisse. Doch die Warays haben ihre Stadt wieder aus den Trümmern aufgebaut. Viele Menschen mussten ihre Häuser eigens aus den Überresten, die der Sturm ihnen hinterlassen hatte, neu zusammenzimmern. Viel Geld ist in die Stadt geflossen, inzwischen ist Tacloban zum Teil eine sehr moderne Stadt geworden, schicke Hotels und Cafés, Fast-Food-Ketten und eine riesige Einkaufs-Mall glitzern förmlich zwischen den Häuserreihen und Trümmern hervor.

Und genau diese Einkaufs-Mall war der etwas ungewöhnliche erste Projekt-Einsatzort unseres Circus de Bais in Tacloban. Aber keinesfalls, wie die meisten anderen Menschen, die an diesem Sonntagnachmittag mit uns in die Mall strömten, zum Bummeln und Shoppen. Während es draußen den ganzen Tag wie aus Kübeln goss, unterstützen wir das J.E.S.U.S. Kids Therapy Center in Tacloban, die dieses Jahr Gastgeber der Autism Awareness Week sind – und dessen Eröffnungsevent auf einer großen Bühne inmitten des Einkaufszentrums stattfand! Mit Reden, Tänzen autistischer Schüler und einer Parade durch die Mall soll so auf die Integration, Förderung und Akzeptanz autistischer Kinder auf den Philippinen aufmerksam gemacht werden.

Wir stellten mit unserem kulturpädagogischen Zirkusprojekt den Mitmach-Teil des Nachmittags: Nachdem die vielen anwesenden Familien mit ihren Kindern den inspirierenden Reden gelauscht hatten und bei den Tanzvorführrungen schon fleißig im Publikum mitgetanzt und -geklatscht wurde, durften die Kinder nach einer kurzen Zirkusvorführung unsererseits selbst auf die Bühne. Zwischen den Sonntagsbummlern, die das Geschehen auch von den oberen Etagen neugierig beobachteten, wurden nun fleißig Fingerpuppen gebastelt, Masken bemalt, Teller angedreht, Selfies mit der geschminkten Blume gemacht und auch das Schwungtuch war unablässig in Bewegung. Unterstützt wurden wir dabei von fünf Schülerinnen der Frisbee-Mannschaft aus Tacloban, die uns gerne bei diesem tollen Event halfen. Als der bunteste Programmpunkt des Nachmittags mit uns vorbei war, ging es zur abschließenden Parade durch die Mall.

Der etwas andere Projekttag war erfolgreich – über 100 autistische und nicht autistische Kinder bekamen die Chance, an unseren Workshops teilzunehmen und gleichzeitig konnten wir mit der Präsenz in der gut besuchten Einkaufsmall ein Zeichen für die Akzeptanz und Integration autistischer Kinder auf den Philippinen setzen!

Marie