Circus de Bais – Projekttag 9, 25.01.2016
Unser Projekt führt uns von Ormoc mit einem klapprigen und halbleeren Überlandbus über die mit Kokospalmen überladene Insel Leyte. Das Ziel: Unsere letzte Station des „Circus de Bais“ für dieses Jahr, Tacloban City. In dieser Stadt habe ich 2011 ein Jahr meines Lebens als Weltwärts-Freiwillige des Deutschen Entwicklungsdienstes GiZ verbracht; mich dort zu Hause gefühlt. Ja, diese Busfahrt über die mir so vertraute Insel fühlt sich wirklich ein wenig so an wie „nach Hause kommen“. Doch ist dieses „nach Hause kommen“ anders als ich es mir nach meinem letzten Besuch im Oktober 2013 ausgemalt hatte. Die Ruinen am Wegesrand und die abgebrochenen Palmen zeugen von der Katastrophe, die sich hier nur wenige Wochen nach meiner letzten Abreise ereignet hat. Am 8. November 2013 ist der heftigste Taifun aller Zeiten hier auf Land getroffen und hat Tacloban City sowie Teile Leytes und der benachbarten Insel Samar in einem Trümmerfeld hinterlassen. Das Paradies scheint paradox, wenn man die zerstörerische Gewalt der Natur an diesem Tag bedenkt: Mit Winden von über 300 Stundenkilometern riss der „Supertaifun“ Haiyan (auf den Philippinen bekannt als Yolanda) über 10.000 Menschen mit sich in den Tod; Leichen, die noch jetzt teilweise in den Trümmern gefunden werden. Als wir in die Stadt kommen passieren wir mein altes Büro – ich war bei der örtlichen Handelskammer angestellt. Nur noch die Außenmauern erinnern an das Gebäude, das hier einmal stand.
Nach unserer Ankunft orientieren wir uns in der Stadt und machen die Plätze ausfindig, an denen wir unser Projekt durchführen werden. Die Menschen, denen wir an diesem sonnigen und ruhigen Sonntagnachmittag begegnen, haben alle ihre Geschichte zum Taifun, die sie auch gerne teilen. Ein Nachbar aus meinem alten Viertel erzählt, wie die Flutwelle, die der Sturm nach sich zog, sein Haus überflutete und er sich mit seiner Familie auf einen benachbarten Balkon retten musste. Jeder hat seine eigene Geschichte erlebt während des Taifuns und jeder hat irgendwen verloren. Heute, zweieinhalb Jahre später ist Tacloban wieder eine intakte Stadt: überall gibt es Baustellen und neue schönen Häuser. Die Stadt nach dem Taifun ist moderner als vorher mit vielen neuen großen Hotels. 200.000 Menschen leben hier und die Stadt ist wirtschaftliches Zentrum der Region 8 der Philippinen.
Unser erster Projekttag hier, ab jetzt unterstützt von Ingo, fängt verregnet an. Wir schauen beim SOS Kinderdorf am Stadtrand und bei einer Schule für Kinder mit geistiger Behinderung in der Innenstadt vorbei, um dort weitere Projekttage zu planen. Am Nachmittag fahren wir nach San Jose, wo wir von dem Stadtviertel-Vorsteher Alfred Quinchao die Erlaubnis bekommen haben, auf dem überdachten Basketball-Platz unser Projekt anzubieten. Der Platz ist direkt an einer Bucht gelegen mit dem Fischmarkt nebenan, den ich noch gut aus meiner Zeit kenne, denn nur eine Straße weiter steht das Haus, in dem ich früher gewohnt habe. Nur erstrahlt es nach dem Taifun in neuem Anstrich und ist unbewohnt. Während wir auf dem Basketballplatz unseren Vorhang aufhängen, ahnen die neugierigen Nachbarn und Basketballspieler noch nicht, dass sich hier gleich ein buntes Zirkusdurcheinander abspielen wird! Zwei Stunden lang ist der Platz gefüllt mit zeitweise über 100 Kindern, die laut lachend all unsere Zirkusmaterialien ausprobieren. Einen Zirkus gab es in Tacloban noch nicht und ein Junge im Teenie-Alter erzählt mir, dass ihn das Geschehen an den alljährlichen Jahrmarkt zur Fiesta im Juni erinnert. Die traurigen Gesichter der Kinder, als wir ihnen nach über zwei Stunden Toben die Bälle, Drehteller und Devilsticks entwenden müssen, um sie wieder zurück in unserem roten Zirkuskoffer zu verstauen, zeugen von dem Spaß, den sie hatten. Sogar der Stadtviertel-Vorsteher schwingt beim Aufräumen fleißig den Besen über den Basketballplatz und eine Gruppe Kinder begleitet uns noch bis zum Bus zurück zum Hotel.
Ein erfolgreicher erster Tag in Tacloban geht zu Ende!
Marie