Cebu City, Philippinen, 15. November 2013
Mario Dietrich, der seit Tagen die Maninoy-Hilfsaktionen für die vom Taifun Haiyan zerstörten Gebiete in Nord-Leyte vorbereitet, hat gestern erleichtert erfahren, dass die ersten Hilfsleistungen die entlegene Ortschaft Balagtas im Landesinneren von Nord-Leyte erreicht haben. Ein Mittelsmann hat dem in Balagtas lebenden Maninoy-Koordinator einen ersten kleinen Geldbetrag überbracht, damit dieser wieder handlungsfähig wird und die Ankunft eines weiteren Hilfsteams, das in den nächsten Tagen eintreffen wird, vorbereiten kann. Der Taifun hatte das Haus des Koordinators zerstört. Beim Versuch, sich und die Familie zu schützen, wurde der Schwiegervater von einer umfallenden Betonwand getroffen, er selbst und seine Frau und seine zwei kleinen Kinder sind nur knapp mit dem Leben davongekommen. Dies erzählt er uns mit bebender Stimme, nachdem am Mittwoch nacht erstmals der Telefonkontakt zustande kam.
Maninoy unterstützt in Balagtas und der näheren Umgebung sechs Patenfamilien und ist durch das erfolgreiche Zirkusprojekt vom letzten Jahr in der lokalen Bevölkerung sehr beliebt. Die Unterstützung und Kooperation der Hilfsempfänger ist wichtig, damit die bevorstehenden Hilfsaktionen schnell und reibungslos erfolgen können und das Geld auch dazu verwendet wird, wofür es ursprünglich gespendet wurde.
Die Häuser in und um Balagtas wurden schwer getroffen und z. T. total zerstört. Es gab auch Todesfälle in den Patenfamilien.
Die folgende Hilfsaktion bringt Nahrungsmittelhilfen und Medikamente für die am stärksten betroffenen Opfer. Außerdem soll sie eine Einschätzung der Situation vor Ort ergeben und Fragen klären, wie: Was brauchen die Menschen genau? Wie kann geholfen werden? Wie groß ist der Schaden vor Ort? Welcher Spendenumfang wird benötigt? Kommen die Hilfsmittel sicher am Einsatzort an und können fair und reibungslos verteilt werden?
Balagtas ist sehr abgelegen und bekommt von keiner anderen Hilfsorganisation Unterstützung, sondern bisher nur durch kleine Privataktionen von Familienmitgliedern, die auf anderen philippinischen Inseln leben. Die großen Hilfsorganisationen sind natürlich zuerst einmal in den Katastrophengebieten um Tacloban aktiv, aber darum herum hat der Taifun nicht halt gemacht. Die Region, die der Taifun verwüstet hat, ist sehr groß und die Ortschaften im Landesinneren werden gegenüber den Küstengebieten benachteiligt, da die Hilfsgüter meist über den Seeweg kommen.
Für die kommende Hilfsaktion hat Maninoy den Vorteil, dass sich die Teammitglieder vor Ort gut auskennen. Da sie Einheimische sind, erregen sie nicht so viel aufsehen, denn die Situation für die Hilfskräfte und hilfswilligen Verwandten ist schwierig. Reisende auf Leyte, v.a. Ausländer werden aufgehalten und ausgeraubt, sobald sie in den Häfen ankommen und sich auf den Weg ins Hinterland machen. Laut Berichten von Bekannten werden Ankömmlinge am Hafen von einer Traube hilfloser Menschen umringt, die mit allen Mitteln um Geld, Essen, Irgendwas betteln. Die verzweifelten Opfer gehen davon aus, dass jeder Reisende Hilfsgüter, zumindest Geld für die Verwandten im Katastrophengebiet mitführt, die er zu den eigenen Familien bringen will. Aus Hunger und Not überschreiten sie dann die Grenzen und überfallen die Hilfswilligen auf ihrem Weg ins Hinterland. Das ist sehr traurig, da nun manche Helfer abwarten, die Hilfe verzögert eintrifft und noch länger braucht. Dabei sind die Lebensmittelvorräte in der Bevölkerung fast aufgebraucht und die Leute haben nicht genug Geld, das Wenige, das angeboten wird, zu den vervielfachten Preisen zu kaufen.
Lebensmittelgeschäfte und Banken in den Hafenstädten haben, aus Angst vor Plünderern immer noch geschlossen. So kann auch kein Geld in die Katastrophenregion geschickt werden, sondern muss von außerhalb Leytes eingeführt werden. Die Preise für Reis, Benzin und Busfahrten sind z. T. um des vierfache gestiegen. Das Stromnetz ist zusammengebrochen, Handys an den wenigen Generatoren aufzuladen, um Kontakt mit Verwandten auf anderen Inseln zu bekommen ist sehr teuer, aber die Menschen haben z. T. alles verloren, können sich somit auch selbst kaum helfen.
Maninoy konzentriert sich zuerst einmal auf sein Einzugsgebiet in den zwei Ortschaften Balagtas und Alang-Alang bei Tacloban, da kennt sich Maninoy aus und kann Spendengelder ohne große Nebenkosten an die Betroffenen weitergeben.
In den Küstengebieten um Tacloban sind Hilfsaktionen momentan immer noch gefährlich und es besteht ständig die Gefahr, dass die Spendengelder selbst am Einsatzort geraubt werden. Maninoy ist eine kleine Organisation, die keine staatlichen Schutzeinrichtungen oder Personenschutz erhält. Deswegen ist es für uns am effektivsten, wenn wir uns auf die Grenzen der Ausnahmegebiete konzentrieren, quasi die ‚zweite Reihe stärken‘, damit die ‚zweite Reihe‘ soweit wiederhergestellt wird, dass sie ihre Verwandten aus den Ausnahmegebieten holen/helfen können. Momentan wissen die Patenfamilien in Balagtas zum Beispiel nicht einmal, wie es den anderen Patenfamilien in Balagtas geht, obwohl sie keine drei Kilometer voneinander entfernt wohnen. So sehr sind diese mit sich selbst beschäftigt.